15.09.2021

Verwendung des Begriffs "Selbsthilfegruppe" im Zusammenhang mit dem Covid-19-Zertifikat

Stellungnahme vom 15.9.21

Die Stiftung Selbsthilfe Schweiz als Dachorganisation für die Förderung der gemeinschaftlichen Selbsthilfe in der Schweiz hält fest, dass eine zur Umgehung der Pflicht zur Verwendung des Covid-Zertifikats ins Leben gerufene „Selbsthilfegruppe“ den von Fachorganisationen definierten Kriterien für die Verwendung dieses Begriffs nicht entspricht. Selbsthilfe Schweiz bedauert es, dass der Begriff «Selbsthilfegruppe» verwendet wird, um bundesrätliche Weisungen zu umgehen.

Gesellschaftliche Bedeutung von Selbsthilfegruppen

In der Schweiz profitieren über 40'000 Menschen von ihrer Teilnahme an rund 2'500 Selbsthilfegruppen. Die Gruppen decken ein breites Spektrum von Themen ab, wobei sich 75% der Gruppen über gesundheitliche Fragen austauschen. Allen Gruppen gemein ist die Tatsache, dass sich Menschen gegenseitig unterstützen, die durch einen Schicksalsschlag, eine Erkrankung oder andere schwierige Lebensbedingungen, mit einer spezifischen Herausforderung im Leben umgehen müssen. Die positive Wirkung der Selbsthilfe ist unbestritten.
Diese Selbsthilfebewegung in der Schweiz besteht seit mindestens rund 50 Jahren und ist im Lauf der letzten Jahre stetig angewachsen. Im von der Corona-Pandemie geprägten Jahr 2020 wurde sogar en deutlicher Zuwachs an neuen Selbsthilfegruppen festgestellt: Offensichtlich helfen Selbsthilfegruppen den Betroffenen, mit Problemen umzugehen, die aufgrund der Pandemie entstanden sind oder sich wegen dieser verschärft haben, wie z.B. Ängste, Erkrankung und weitere. (vgl. Medienmitteilung von Selbsthilfe Schweiz vom 6.9.21)

Bundesratsbeschluss zur Zertifikatspflicht

Der Bundesrat hat ab dem 13.9 die Zertifikatspflicht auf Bereiche wie z.B. Restaurants ausgeweitet. In der Öffentlichkeit wurde etwas verkürzt kommuniziert, Selbsthilfegruppen seien von der Zertifikatspflicht ausgenommen. In der Covid-19-Verordnung besondere Lage Art. 14a Abs. 2 ist jedoch präzise definiert, unter welchen Bedingungen diese Ausnahme gilt.

Trotzdem sind uns bereits ab dem 13.9. mehrere Vorfälle bekannt geworden, bei denen Einzelpersonen wie auch vereinzelt Unternehmen versuchten, ihr Angebot unter dem Deckmantel „Selbsthilfegruppe“ anzupreisen, um die Zertifikatspflicht zu umgehen. So versuchte gemäss einem Bericht in „20minuten“ vom 14.9.21 beispielsweise ein Wirt, auf diese Weise sein Gastroangebot ohne Zertifikatspflicht weiter zu betreiben (vgl. www.20min.ch/story/bar-will-als-selbsthilfegruppe-zertifikatspflicht-umgehen-676855816374 , abgerufen am 14.9.21)

Fachliche Kriterien für Selbsthilfegruppen

Selbsthilfe Schweiz sowie die 20 regionalen Selbsthilfezentren prüfen Anfragen zur Aufnahme in die schweizweite Datenbank für Selbsthilfegruppen auf Basis fachlicher Kriterien, auf die sich diese Fachorganisationen schweizweit geeinigt haben. Gemäss diesen Kriterien sind massgebliche Merkmale von «Selbsthilfegruppen» unter anderem, dass die Gruppen

  • sich an ethische, moralische und rechtliche Normen und Gesetze halten
  • nicht gewinnorientiert arbeiten. 

(Die vollständige Kriterienliste ist hier zugänglich.)

Die Stiftung Selbsthilfe Schweiz als Dachorganisation für die Förderung der gemeinschaftlichen Selbsthilfe in der Schweiz hält fest, dass Angebote, die diesen Kriterien nicht entsprechen, nicht in die nationale Datenbank von Selbsthilfe Schweiz aufgenommen werden. Eine zur Umgehung der Zertifikatspflicht ins Leben gerufene „Selbsthilfegruppe“ entspricht aus der Sicht von Selbsthilfe Schweiz den oben genannten Kriterien nicht. Selbsthilfe Schweiz bedauert es, dass der Begriff «Selbsthilfegruppe» verwendet wird, um bundesrätliche Weisungen zu umgehen.